In stiller Trauer

André Sahm

Du bist unser großes Vorbild und wirst es immer bleiben. 

Wir vermissen schmerzlich dein unsagbar großes Herz, dein offenes Ohr für jedes unserer Probleme und deine klugen Ratschläge. Davon hätten wir noch einige gebraucht.

Mit niemandem konnte man in einem Moment so viel Quatsch machen und im nächsten Moment so tiefgründig über alles reden.

Dein Wirken, dein Glaube und deine Ausstrahlung hat so viele Menschen um dich herum positiv beeinflusst und verändert. Wir können nur dankbar sein, dass wir das Glück hatten, zeitgleich mit dir auf dieser Erde gewesen zu sein. 

Dein Einfluss auf uns, deine Familie, deine geliebte Frau, deine Freunde, deine Gemeinde und dein ganzes Umfeld wird über alle Zeit bleiben. 

Lieber Andi, du fehlst uns sehr.

Erinnerungen


Für Andi

Mein Bruder
Mein bester Freund

Hey Andi,

am liebsten hätte ich dir Teile dieses Briefs gern früher persönlich gegeben, aber dir ist da was dazwischengekommen. Die meisten Dinge in diesem Brief hättest du nie selbst von dir behauptet – weil du dich selbst so sehr zurück genommen hast, du warst bescheiden.

Zu deinem Abschied fällt mir nur ein:

  • Zu früh
  • Plötzlich
  • Ungerecht
  • Unvorbereitet

Zu deinem Leben und deinem Charakter fällt mir so viel mehr ein:

  • Einfühlsam
  • Positiv
  • Loyal
  • Liebenswürdig
  • Empathisch
  • Vorbild
  • Vielfältig
  • Humorvoll (nicht zu knapp)
  • Vertrauenswürdig
  • Intelligent
  • Besonnen
  • Beeindruckend
  • Tiefgründig
  • Großes Herz

Das große Herz

Dein großes Herz hat für die Natur geschlagen, aber vor allem das Wasser, das Meer und alles darin befindliche Leben. Seit vielen, vielen Jahren. Nach einer prägenden Tauch-Erfahrung mit deiner Frau Mathea hast du dir einen riesigen Rochen auf dein Bein tätowieren lassen. Das Schnorcheln und Tauchen und die damit verbundene Entdeckung der Welt unter Wasser hat dich tief beeindruckt.

Der Hai ist dein Lieblingstier, das wussten wir. Du konntest alles darüber erzählen, ihn verteidigen, weil er so ein intelligentes, sensibles Wesen ist - und du hast immer gesagt „Das einzige Problem von einem Hai ist, dass er keine Arme hat - er muss halt alles mit den Zähnen regeln“.

Dein Ziel war es, einmal im Leben mit Haien zutauchen und dir war klar - das geht nur beim Apnoe-Tauchen, weil die sensiblen Tiere bei allen anderen Taucharten verschreckt werden. Klar war auch, dass du nicht einfach ins Aquarium gehst.

Ich muss dir gestehen, nach dem ersten und zweiten Schock und der anschließenden, bitterlichen Trauer, kam zwischendurchauch ein Moment von Unverständnis und ja, auch Wut. Ich habe nicht verstanden, warum du allein Tauchtraining absolviert hast, hab nicht verstanden, warum du die Gefahr unterschätzt hat, es hat einfach nicht in mein Bild gepasst. Ich wusste, du bist Extremsportler und kennst die Elemente und Gefahren, denen du dich aussetzt.

Als dann die Nachricht der Ärzte im Nachhineinkam, war das Unverständnis sofort weg.
Todesursache: Zu großes Herz.

Dein Herz war einfach zu groß - nicht nur physikalisch. Es hätte unentdeckt auch später passieren können, egal bei welcher Belastung, man konnte es nicht ahnen.

Du warst gesund, hast sehr gesund gelebt, wusstest über alle deine Vital-Funktionen Bescheid und hast sie auch immer gemessen. Du wusstest so genau über deinen Körper Bescheid, welche Verletzungen oder Schmerzen womit zusammenhängen, wie man darauf reagieren muss und hast deiner Frau begeistert von allen Zusammenhängen erzählt. Du kanntest dich richtig krass aus. Dass dein zu großes Herz einmal das Problem sein würde, das konnte man nicht ahnen.

Deine Leidenschaft war der Extrem-Sport. Extreme Herausforderungen, über 900km Fahrradfahrt allein in die Alpen, in 5Tagen. Solche Fahrten gab es öfter und die Angst, dass auch mal was passieren könnte, war bei mir immer präsent. Aber auch du wusstest um die Gefahren und konntest sie besonnen vorher erklären und abschätzen. Die extremen Herausforderungen haben dich so sehr glücklich gemacht, dass auch dort jedes Unverständnis von mir oder deinem Umfeld ausradiert wurde. Zu Recht. Du hast unglaubliche Herausforderungen gemeistert und mich oft sprachlos zurückgelassen. Ich kenne niemanden, der den Tag und das Leben so ausgekostet hat.
Wenn du mir morgens um 5 Uhr ein Foto von deiner Fahrrad-Fahrt geschickt hast, hat mich nicht nur das Foto, sondern auch die Tatsache, dass du um diese Zeit gerade deine Tour beendet hattest, überallen Maßen beeindruckt. 

Dein großes Herz ist vermutlich das, was allen, die dich kennen, sofort als erstes in den Sinn kommt, wenn dein Name fällt.

Genauso extrem, wie du deinen Sport ausgelebt hast, hast du allerdings die Extreme auch in anderen Bereichen gesucht. In Freundschaften, in zwischenmenschlichen Beziehungen, in Verantwortung. Du hast extrem geliebt. Das habe ich, das hat deine gesamte Familie, deine geliebte Frau, deine Freunde und dein gesamtes Umfeld jeden Tag gespürt - in allen Dingen.
Du hattest immer ein offenes Ohr für alles und für alle. Du hast nie schlecht über andere gesprochen. Du hast emphatisch aufschwierige Situationen reagiert, du konntest Emotionen sofort spüren, sobald du den Raum betreten hast und hast entsprechend reagiert - immer zum Wohle deranderen.

Deine Art Trost zu spenden, Perspektiven zuändern und Rat zu geben war einmalig.
Außerdem hast du andere für alles begeistern, motivieren und mitreißen können - sei es in deiner Gemeinde, den Jesus Freaks, bei denen du den Vorsitz hast, bei deiner Fahrradtruppe oder bei deinen 4 Geschwistern, der Chaostruppe.

Du hast dich selbst so oft zurückgestellt, hast Gäste wie Königinnen und Könige behandelt - ich kenne niemanden, der sich nicht unmittelbar wohl und aufgehoben bei euch zuhause gefühlt hat. Kaum saß man auf dem Sofa, hatte man keinen Augenblick später den perfekt gemixten Cocktail (zuletzt London Mule) in der Hand und sah vor sich alle Käsesorten aus der Schweiz, Schokolade aus Belgien und Salami vom nächsten Bio-Bauernhof. 

Du hast auch den Genuss geliebt, darüber konnten wir viel fachsimpeln und diskutieren - sei es in Bezug auf audiophile Schallplatten, die besten Kopfhörer oder Wein, Gin und andere Spirituosen.

Vor wenigen Wochen hast du mir noch Bilder voneinem Restaurantbesuch in Heidelberg mit Mathea geschickt mit dem Kommentar „Heute das erste Mal Schnecken gegessen“ - mein Gedanke war nur „Ja gut kann man machen“.

Deine Kochkünste sind für mich und viele andere unerreicht, denn auch hier hast du dich nicht mit wenig zufrieden gegeben. Es mussten die besten Zutaten sein, euer perfekt überlegter und konstruierter Garten hatte alles, was man braucht und nicht zuletzt haben eigene Schafe, Wachteln und Hühner deine Idee vom eigenen Bauernhof immer realer werden lassen. 



Dein Herz war so groß, dass es euer erklärtes Ziel war, irgendwann einen Gnadenhof zu erbauen - ein Hof, der alle Tiere mit jeglicher Leidens- und Lebensgeschichte aufnimmt, und zwar bis zum Ende. Diese Idee ist nicht vorbei, sondern wird von deiner geliebten Frau Mathea irgendwann weitergetragen. Keine Sorge, der Dachboden wird auch noch fertig gemacht, versprochen.

4 große Herzen

Deine 4 Geschwister sind so unglaublich stolzauf dich und so unglaublich dankbar, dass wir dich als großen und kleinenBruder haben durften. Für uns alle bist du der Anker und das Vorbild in unserer Chaostruppe. Der Verlust schmerzt unfassbar und das Vermissen wird noch schlimmer. Jetzt haben wir niemanden mehr, mit dem wir nachts schlecht gemachte Wahl-Plakate verschönern können, niemanden mehr mit dem wir Nutella-Käse-Senf Brötchen kreieren können und niemanden mehr, der mit uns „Alles in Butter“ 20 Mal hintereinander sagt.

Was aber bleibt ist eine Dankbarkeit für alles, die ich nicht in Worten beschreiben kann. 

Ich bin so sehr dankbar für jede Reise, die wir gemacht haben, auch wenn sie irrational war. Wie wir Anfang 20 einfach Tickets nach Indien, nach Südafrika und auf die Seychellen gebucht haben - weil wir gesagt haben, sowas macht man eigentlich mit 50 aber wir machen es jetzt.

Den Vulkan, den wir auf Guadeloupe bestiegen haben, die Abfahrten, die wir in den Alpen gemacht haben, die Rennrad-Expeditionen auf Mallorca und den Hurrikan, den wir am Strand erlebt haben. Die Reisen wurden nur mit dir noch besser - weil ich oft zu viel Angst hatte und du aber um die Ecke kamst mit den Worten, „wir müssen noch ein bisschen weiter, ich glaub da hinten wird es noch schöner“ - und es wurde noch schöner. Wenn wir zusammen unterwegs waren, hatte ich keine Angst, weil ich immer dachte „mein kleiner, großer Bruder passt schon auf mich auf“. Das hast du auch - als ich mal einen Sonnenbrand dritten Grades hatte, hast du mir am Strand aus Blättern und Ästen einen Sonnenschutz gebaut. Erst später ist mir aufgefallen, dass dein Sonnenbrand eigentlich genauso schlimm war. 

Als im Februar in der Ukraine der schreckliche, russische Angriffskrieg ausgebrochen ist, hab ich dich eine Woche später gefragt, ob du mit mir und einem Hilfskonvoi mitkommen würdest, in die Ukrainische Grenzregion, um Hilfsmittel abzugeben und eine Familie entlang der Grenze abzuholen. Du hast sofort ja gesagt. Zu zweit sind wir innerhalb von 36h knapp 3000km gefahren mit einer Stunde Schlaf auf einem Parkplatz – das meiste davon bist du gefahren, weil ich nicht mehr konnte. Du wolltest helfen, immer. Das hat dein großes Herz ausgemacht. Auch in dieser Situation ist uns einmal mehr klar geworden, wie fragil ein Leben auf dieser Erde ist. 

Wir haben oft über den Tod gesprochen, nicht nur weil er auch Teil deines Berufs war. Wir hatten und haben beide keine Angst vorm Tod und dir war klar, dass wenn du einmal sterben solltest, es bei irgendetwas passieren würde, das dir Spaß macht, dass dich ausfüllt. Es war klar, dass du dich höchstwahrscheinlich nicht an einer Erdnuss verschlucken wirst. Das wusste ich, das wusste Mathea, das wussten alle. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass du noch länger bleibst. Aber wir wussten beide, dass wir keinen Einfluss darauf haben. Dazu haben wir uns zu viele Dokumentationen über Expeditionen, Extremsport und die ganze Welt angeschaut. Es passiert, wenn es passiert. 

Dein Herz

Ein großer Teil deiner Furchtlosigkeit war nicht nur dein Charakter, sondern auch dein unerschütterlicher Glaube. Der Glaube an das Gute im Menschen, der Glaube an Veränderung, der Glaube an Gott und einen höheren Sinn in allem. Das hast du gelebt und das hat jeder gesehen. Dein Leben, dein Wirken, dein Umgang mit allen die dir begegnet sind hat vondeinem Glauben erzählt.

Es gibt den Spruch „Predige das Evangelium, wenn nötig, benutze Worte“ - das hast du gelebt und deinen Glauben lebendigwerden lassen. Dir war es bei weitem nicht genug, an ein Leben nach dem Tod zuglauben - du wolltest den Himmel auf Erden. Dein Leben hier als Zeugnis deiner Überzeugung. Das hat so viele Menschen inspiriert, tief beeindruckt und wirdnoch Jahre nachwirken.

Manche Menschen haben 100 Jahre auf dieser Erde, manche nicht einmal die Hälfte.
Du hast in deinen 31 Jahren mehr bewirkt, bewegt und geschaffen als andere in 300 Jahren.

Du hast keine halben Sachen gemacht, das war nichts für dich.
Du hast immer ganze Sachen gemacht und eine halbe noch obendrauf.



Dein Gehen von dieser Welt wirkt für mich irgendwie wie ein letztes, großes Projekt - „ich bin jetzt erstmal weg, aber ihr habt jetzt euch und nehmt jetzt erstmal meine komplett überschüssige Energie, die für 100 Jahre nicht gereicht hätte und teilt sie unter euch auf. Versucht nur halb so intensiv zu leben wie ich, nur halb so intensiv zu lieben und euch nur halb so viel um eure Mitmenschen zu kümmern und die Welt in und um euch wäre schon über allen Maßen besser.“ 

Ich bin dir unendlich dankbar für alles - ich werde versuchen, dank deiner Motivation und deinem Vorbild, das Leben und jeden einzelnen Tag als Geschenk anzunehmen, zu genießen, versuchen, so zu lieben, wie du es getan hast und mir der Endlichkeit des Lebens auf der Erde bewusst zu sein. Du bist der beste kleine, große Bruder, den man sich vorstellen kann, der beste Freund – du bist der beste Mensch den ich kenne.

Weil du das immer gesagt hast:

Also - Bis bald. 


Gedanken

Andi wusste das jeder Tag kostbar ist. Extrem kostbar. Wir haben kein Anrecht auf noch einen weiteren Tag auf dieser Erde - jeder Tag den wir erleben ist sowas wie ein Bonus.

Die schlechten und die guten Tage. Nur unsere Perspektive hat einen Einfluss auf die Gegenwart.

Jede Tätigkeit, alles was wir tun, jeder Kuss, jeder Urlaub, jede Autofahrt, jede Berührung, jedes Wort – alles könnte immer ein letztes Mal sein. Bitte wartet nicht mit lieben Worten, die ihr jemandem noch sagen möchtet, einer Reise, die ihr unbedingt erleben wollt, mit einem Projekt, das ihr umsetzen möchtet, mit Streit, der Versöhnung braucht.

Das wusste Andi und so hat er gelebt. 


Anteilnahme

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familie-sahm@posteo.de



Statt Blumen

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Mathea Sahm
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